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Argentinien

„Das Land braucht diese Energie“

Das Gespräch führte Tilman Weber

Nach der Zuteilung von Einspeiserechten für Erneuerbare-Energien-Anlagen zur Stromerzeugung mit einer Kapazität von zusammen 6.000 Megawatt (MW) in zwei Ausschreibungsrunden hat Argentinien im Oktober eine dritte Runde gestartet. Nun lobt das Energiewendeprogramm Renovar 400 MW für kleine Projekte mit 0,5 bis 10 MW Erzeugungskapazität aus. Im Mai 2019 will das südamerikanische Land die Zuschläge dafür erteilen. Sebastian Kind, Unterstaatssekretär für das Thema erneuerbare Energien im Energieministerium, spricht im Interview mit ERNEUERBARE ENERGIEN über die Sicherheit der argentinischen Energiewende auch bei hier einmal nur kleineren Dimensionen. Kind gilt als Erfinder und Autor des argentinischen Erneuerbare-Energien-Programms und des dazugehörigen gesetzlichen Rahmens. Lesen Sie hier Teil 2 des Interviews, dessen Teil 1 Sie in unserer Novemberausgabe des gedruckten Fachmagazins ERNEUERBARE ENERGIEN finden!

Herr Kind, ist das Ziel von Runde 3, erstmals auch kleinere Investoren in den Erneuerbaren-Markt hineinzuziehen?

Sebastian Kind: Natürlich. Der Ansatz ist es hier, den Fokus auf nichttraditionelle Akteure zu richten und die Mitspieler in diesem Spiel zu diversifizieren. Es geht um Akteure, die sich nicht an großen Anlagen beteiligen können; hauptsächlich weil ihr Kerngeschäft möglicherweise gar nichts mit Energie zu tun hat. Aber sie können dieses kleine Spiel mitspielen. Die Antwort ist hier: Ja, wir wollen mit diesem Fokus mehr lokale Unternehmen einbeziehen.

… und Sie wollen jetzt sicherlich auch ein Zeichen setzen, dass Sie mit den Ausschreibungen und der Energiewende in Argentinien unbedingt weitermachen.

Sebastian Kind: Richtig. Die Botschaft soll sein, dass RenovAr und die Erneuerbaren in Argentinien weiterkommen. Sie kommen deshalb weiter, weil es eine große Entscheidung getragen aus dem ganzen politischen Spektrum gibt – ebenso vom Präsidenten unseres Landes, die Erneuerbaren weiterhin auszubauen so sehr wir es können. Wir folgen so einer Verpflichtung – durch das Gesetz.

In Ihrer Eröffnungsrede auf einem Empfang durch das argentinische Konsulat in Hamburg haben Sie gerade sehr stark betont, dass es eine vierstufige Absicherung der Investitionen in den Ausschreibungen gibt. Warum?

Sebastian Kind: Ja, die gab es in Runde 1 und 2 – das gilt aber nicht im selben Maße in Rune 3. Der Hauptgrund hierfür ist, dass wir jetzt erkennen, dass in diesen drei Jahren seit unserem Start sich eine Industrie entwickelt hat. Und dass wir den Investitionsfortgang nicht mehr im selben Maße wie bisher absichern müssen, wie wir es zur Schaffung von Vertrauen anfangs brauchten. Stand heute existiert nun eine Multi-Milliarde-Industrie für die Energiewende in Argentinien. Wir müssen immer noch für Investoren-Sicherheit sorgen und einen Mechanismus bereitstellen, der Investoren sich komfortabel fühlen lässt. Dennoch: Wir verstehen, dass wir das jetzt nicht mehr im selben Maße brauchen. Konkret haben wir für Runde eins eine Zwölf-Monate-Liquiditätsgarantie erteilt, für Runde zwei eine solche Geldmittel-Verfügbarkeit für sechs Monate garantiert. Für Runde drei garantieren wir drei Monate. Und die bisher angeknüpfte Weltbank-Garantie existiert nun gar nicht mehr, weil wir sie nicht mehr brauchen.

Könnte diese Weltbankgarantie im vierten Tender Argentiniens später wieder zurückkehren, wenn es also wieder um Gigawatts-Volumen geht?

Sebastian Kind: Wir wollen die Situation vor und in den Ausschreibungen in jedem einzelnen Moment prüfen und verstehen. Das gesamte Mandat für uns lautet, dass wir 10.000 Megawatt Erneuerbare in sieben Jahren – bis 2025 – ins Energiesystem addieren. Das ist das größte Ziel, das wir durch ein Gesetz fixiert haben. Das Ziel lautet damit auch, nicht weniger als 20 Prozent unserer Elektrizität durch Erneuerbare zu produzieren. Die Exekutive – also die Regierung – darf entscheiden, auf welchem Wege wir dieses Mandat am besten erfüllen.

Wenn Sie nun die finanzielle Sicherheit der vorigen Runden so betonen, geschieht das sicherlich auch, weil Sie in der aktuellen finanziellen Krise, in der sich Argentinien befindet, Bedenken zerstreuen wollen. Investoren sollen das Vertrauen in Ihr Energiewendeprogramm behalten, egals was passiert?

Sebastian Kind: Ich würde natürlich nicht "egal was passiert" sagen. Das wäre ein zu starker Ausdruck, den ich nicht benutze. Aber Argentinien ist trotz seiner derzeitigen ökonomischen Turbulenzen nicht überschuldet – überhaupt nicht. Und es ist im Gegenteil seinen Zielen absolut verbunden. Nie in unserer Geschichte gingen unser nationaler Energiekonzern Cammesa oder andere Einrichtungen wie die Betreiber von RenovAr in die Überschuldung. Nicht einmal in den schlimmsten Zeiten des Landes. Also basiert mein Vertrauen auf dieser Bilanz. Die maximale Verzögerung für komplette Zahlungen in der Geschichte Argentiniens waren 72 Tage. Das sollte Investoren genug Sicherheitsgefühl geben. Heute importiert das Land immer noch Öl und Gas. Argentinien wird glücklicherweise einen Teil dieser Importe stoppen, weil es im Land immer mehr Schiefergas ausbeuten kann. Wir haben hier die zweitgrößten REserven von Schiefergas weltweit. Nur Öl importiert das Land dann weiterhin. Und denken Sie daran, dass wir vielleicht zu den drei Top-Ländern für Solarenergie- und Windkraftressourcen gehören. Das ist für Investoren spannend.

Also sagen Sie: Ihre Geschichte maximal 72 Tagen der Zahlungsunfähigkeit lässt eine 20-jährige Perspektive für garantierte Einspeisetarife der Erneuerbare-Energien-Projekte als nichtige Herausforderung erscheinen?

Sebastian Kind: Ich habe nie einen Blackout aufgrund einer mangelahften Zahlungsfähigkeit erlebt. Das Land braucht jedes Jahr mehr Energie, seit seine Wirtschaft wächst. Egal, wie die Situation gerade Mal ist, wir wissen, dass wir Energie in einem Land mit einer Wachstumsrate von drei Prozent pro Jahr brauchen. Argentinien ist ein Land in Expansion.