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Kommerzielle Betonbatterie

Baustoffkonzern will Wind- und Solarenergie verstetigen

Tilman Weber

Davon geht der Baustoffkonzern Heidelberg Zement aus, der jetzt zusammen mit dem norwegischen Partnerunternehmen Energy Nest die Lieferung der neuartigen Betonwärmespeicher anbietet. Schon 2015 als Pilotanlage mit einer Speicherkapazität von 400 Kilowattstunden (kWh) in den realen Testbetrieb gegangen, ist der Speicher mit Modulen von bis zu zwei Megawattstunden (MWh) inzwischen zum Produkt geworden. Produzieren wollen es Heidelberg Zement und Energy Nest am Standort der Heidelberg-Zement-Tochter Mebin in der niederländischen Hafenmetropole Rotterdam.

Wärmespeicher aus Beton: Die Energy-Nest-Technologie

Das technische Prinzip mutet vergleichsweise einfach an: ein kubusförmiges Rahmengestell trägt ein zwölf Meter hohes Röhrenbündel aus gut fünf Dutzend Stahlzylindern, von denen jeder 25 Zentimeter Durchmesser hat. Durch jede Röhre verlaufen schmale – nach ihrer Form – sogenannte Doppel-U-Rohre. Der Hohlraum zwischen U-Rohren und Stahlzylindern ist mit neuem besonders wärmeleitfähigen Spezialbeton mit einer hoher Wärme-Aufnahmekapazität gefüllt. Während die Stahlzylinder mit dem als Heatcrete vermarkteten Beton als die eigentlichen Wärmespeicher dienen, sollen die U-Röhrchen das Wärmetauschermedium transportieren: Im Betrieb strömen hierdurch Wasserdampf oder Öl. Beim Beladen des Speichers haben Überschussstrom aus Solar- oder Windkraftwerken oder Industrieprozesswärme zuvor diesen Wärmetauscherstoff angeheizt. Beim Entladen transportieren die U-Röhrchen die Wärme zum Betrieb eines Wasserdampf-Generators in der Nähe der Speicheranlage ab, mit dem sich in Zeiten von zu wenig Wind- oder Sonneneinwirkung wieder Strom erzeugen lässt. Andernfalls kann der Generator seine Wärme auch in Fernwärmenetze zur regionalen oder örtlichen Wärmeversorgung einspeisen.

Das Prinzip nennen Forscher und Entwickler in der Speicherbranche im Fachenglisch schlicht Thermal Energy Storage (TES). Früh ins Spiel gebracht hatte es das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig. Die Speicherforscher am DLR errichteten ein erstes Testmodell für einen Betonwärmespeicher vor vielen Jahren, verfolgten das Prinzip aber nicht mehr wesentlich weiter. Derzeit verweisen die Braunschweiger lieber auf Speicher mit Salz zur Energieaufnahme: Das Verfahren der sogenannten Thermal Energy Storage in Molten Salt (TESIS) ist dort erst seit September 2017 im Test.

Hohe Effizienz und Leistungsfähgkeit

Heidelberg Zement und Energy Nest sind derweil von den Vorteilen ihres Speichers überzeugt: Zunächst sei ihr Produkt beliebig modular zusammenstellbar, erklären sie. Sie verweisen damit auf die Installationsarchitektur der Zwei-MWh-Speichermodule. Deren Gestelle lassen sich beliebig oft an- und hintereinander reihen oder aufeinander türmen. Als isolierenden Mantel installieren die Errichter-Teams nur 60 Zentimeter dicke Mineralwollplatten um das Einzelgestell sowie andernfalls um das gesamte Ensemble der Speichermodule. Als Außenwand dient ein entsprechend dimensionierter Stahlcontainer.

Außerdem ist die Speicheranlage sehr effizient und leistungsfähig, wenn sich die Angaben auch als übertragbar erweisen – auf die wirtschaftliche Praxis wie zum Beispiel im Netzbetrieb oder in Industrieanlagen.

Erhoffte Anwendungsrealität: Flexibilität für Grünstromeinspeisung

So soll ein Modul nur 60.000 Euro kosten und damit nur rund ein Drittel dessen, was für Batterien anderer Technologien bei vergleichbarer Leistung zu investieren wäre. Der Heatcrete-Beton in den Speichersäulen hat nach den Angaben eine bis zu annähernd 80 Prozent höhere Leitfähigkeit als die herkömmlichen vom DLR entwickelten Systeme. Erst bei sehr hohen Temperaturen von mehr als 300 Grad Celsius verringert sich der relative Vorsprung an Leitfähigkeit leicht. Die Druckfestigkeit der Beton-Säulenkörper ist laut Heidelberg Zement sogar doppelt so hoch wie beim Beton der herkömmlichen Betonwärmespeichertechnologie – und nimmt sogar beim Anfahren des Energiespeichers bis zu einer Erwärmung von knapp unter 200 Grad Celsius zunächst zu. Und auch die Aufnahmekapazität – genauer: die Wärmekapazität gemessen beispielsweise in Megajoule pro Kubikmeter – ist deutlich verbessert. Erreicht der Speicher die maximale Temperatur von 450 Gad Celsius hat er jeden Kubikmeter Beton schon mit mehr als vier Megajoule zur späteren Verwertung im Strom- oder Wärmenetz aufgeladen. TES-AnlageN mit DLR-Referenzbeton würde jetzt 2,5 Megajoule pro Kubikmeter gespeichert haben.