Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Energiesammelgesetz - ein Kommentar

Altmaier schwingt den fossilen Besen

Monatelang hat die Solar- und die Windbranche darauf gewartet, dass es die Beamten im Bundeswirtschaftsministerium endlich schaffen, ein paar Regelungen für die versprochenen Sonderausschreibungen festzulegen. Daraus ist aber eine riesige Nebelbombe geworden. Denn mit dem jetzt vorgelegten Entwurf winken der Solarbranche nicht nur ein paar zusätzliche Aufträge. Sie bekommt auch noch ein paar zusätzliche Fallstricke dazugeliefert.

Das Energiesammelgesetz ist eine gründliche Novelle des EEG, des Kraft-Wärmekopplungsgesetzes, des Energiewirtschaftsgesetzes und noch 16 weiterer Gesetze. Im Rundumschlag stellt Altmaier die gesamte Energiewende, die ohnehin viel zu langsam wieder auf die Füße kommt, komplett auf den Kopf – ohne großes Primborium.

Keine Sicherheiten mehr

Das wäre auch eher kontraproduktiv. Schließlich stecken im Referentenentwurf so viele Lumpereien drin, dass es wahrscheinlich Wochen dauert, bis auch die letzte Bremse entdeckt wird, mit der Altmaier die Energiewende schleifen will. Wahrscheinlich ist das auch so gedacht. Je mehr Fallstricke versteckt werden, um so größer ist die Chance, dass einige davon übersehen werden und die Branche darüber stolpert.

Allein für die Photovoltaik ist die Liste der Schikanen lang, die in das 154 Seiten lange Machwerk eingebaut wurden. Da ist die Streckung der Sonderausschreibungen über drei statt zwei Jahre noch das kleinste Übel. Aber schon da fällt sofort auf, dass der Ausbaudeckel von 52 Gigawatt immer noch drin steht. Die Sonderausschreibungen lassen den Zeitpunkt schneller näher rücken, zu dem neuen Anlagen keine Einspeisevergütung mehr bekommen. Immerhin wird das Volumen der Sonderausschreibungen nicht an das der regulären Ausschreibungen angerechnet, zumindest so fair ist Altmaier. Wäre auch zu offensichtlich gewesen. Auch das Volumen der Innovationsausschreibungen wird nur noch zur Hälfte vom regulären Ausschreibungsvolumen abgezogen. Das soll sich immerhin zwischen 2019 und 2021 auf 500 Megawatt pro Jahr verdoppeln – wenn dann überhaupt noch Marktprämien nach EEG-Regeln vergeben werden können, weil der 52-Gigawatt-Deckel erreicht ist. Zumal noch niemand weiß, ob diese Innovationsausschreibungen kommen werden. So viel Vertrauen hat Altmaier schon mal verspielt.

Finanzierungskosten steigen

Die Idee hinter diesem Deckel ist, dass die Solaranlagen irgendwann auch ohne feste Einspeisevergütung auskommen müssen. Die Preise sinken und der Zeitpunkt rückt näher, dass sie das auch schaffen. Doch der Zeitpunkt ist zu früh gewählt. Das zeigt, dass in der Berliner Regierungsbank niemand sitzt, der überhaupt einen Überblick über die Preisentwicklung in der Photovoltaik und an der Strombörse hat. Dort ist man auf dem Stand von vor 20 Jahren als die Photovoltaik tatsächlich noch teuer war.

Doch der Wegfall der garantierten Einspeisevergütung wird die Preise für den Solarstrom wieder nach oben treiben, auch wenn die Anlagenpreise selbst weiter sinken. Denn die Finanzierungskosten werden drastisch steigen, wenn niemand mehr die Einspeisevergütung als Sicherheit nutzen kann. Dann müssen die Banken das gestiegene Risiko mit einpreisen. Das wiederum wird den Zubau vor allem im Segment der gewerblichen Dachanlagen bremsen. Denn gerade dort ist man auf eine solche Sicherheit angewiesen, selbst wenn der Anlagenbetreiber die Einspeisevergütung vielleicht nie abruft.

Das Aus für den Mieterstrom

Die Gewerbebetriebe von der Photovoltaik fern zu halten, ist wohl auch Altmaiers Ziel. Viele der Haushalte, die sich für die Photovoltaik interessieren, betreiben inzwischen selbst Anlagen. Jetzt gilt es zu verhindern, dass das Interesse an der Solarenergie auch aufs Gewerbe und vor allem auf die Mieter übergreift, so scheint das Credo der Bundesregierung zu lauten. Deshalb wird kurzerhand die Einspeisevergütung für große Anlagen, die in diesem Segment gebaut werden, bis zur Unwirtschaftlichkeit einzudampfen. Offiziell begründet das Wirtschaftsministerium dies mit einer angeblichen Überförderung solcher Anlagen. Für die Gewerbetreibenden heißt das aber, die Sicherheit für die Finanzierung zu verlieren. Der Solarstrom wird teurer, ist aber immer noch machbar.

Für die Mieterstromprojekte bedeutet es das völlige Aus. Denn würde die Einspeisevergütung für Anlagen ab 40 Kilowatt Leistung auf einen Schlag von derzeit 9,96 auf 8,33 Cent pro Kilowatt abgesenkt, wird aus der Mieterstromförderung eine Strafzahlung. Denn die Förderung von Mieterstromanlagen richtet sich nach der Einspeisevergütung. Pauschal werden von dieser 8,5 Cent pro Kilowattstunde abgezogen. Bei einem Mieterstromprojekt größer als 40 Kilowatt dreht die Förderung dann ins Negative. Die Anlagenbetreiber müssten dann noch 0,17 Cent pro Kilowattstunden bezahlen, statt wie bisher immerhin 1,46 Cent pro Kilowattstunde zu bekommen. „Es ist sehr zu hoffen, dass die Rückwirkung auf die Mieterstromförderung bei der Erstellung des Gesetzesentwurfs schlicht übersehen wurde und noch korrigiert wird“, sagt denn auch Tim Meyer, Vorstand von Naturstrom. Er schlägt als Lösung vor, den pauschalen Abzug entsprechend zu reduzieren.

Überfördert oder überfordert?

Ob sich seine Hoffnung erfüllt, wird sich noch zeigen. Der Geist, der durch die derzeitige Regierung weht, lässt aber Anderes vermuten. Von einer interessengeleiteten Politik spricht Ulrike Höfken, grüne Umweltminsterin in Rheinland-Pfalz. Verschwörungstheoretisch formuliert würde das heißen: Altmaier ist überfördert von den Lobbyisten der alten Energiewelt.

Oder ist er überfordert mit dem Amt des Wirtschaftsministers? Denn gute Wirtschaftspolitik sieht anders aus. Denn damit werden auch die letzten Reste der Photovoltaikwirtschaft in Deutschland in die Bredouille gebracht. Dabei geht es vor allem um mittelständische Installationsunternehmen und Anlagenplaner, die unter der Altmaiers Politik zu leiden haben. Die sind es, die in den letzten Jahren mit immer neuen Geschäftsmodellen dafür gesorgt haben, dass der Zubau zumindest wieder in die Nähe der Ziele der Bundesregierung kommt. Aus dem Regierungsviertel in Berlin kam dafür keinerlei Unterstützung. Bestenfalls hat man die Branche in Ruhe gelassen. Sie werden auch in Zukunft Geschäftsmodelle finden, wie die Photovoltaik weiter ausgebaut wird, auch gegen den Widerstand eines Peter Altmaiers – und sei es im Ausland, wo die Energiewende weitergeht. Aber auch in Deutschland ist sie nicht mehr aufzuhalten, auch wenn das den alten Fossilien im Bundeswirtschaftsministerium und bei den Großkonzernen nicht passt.

Klimaschutz aus den Augen verloren

Der Plan des Altmaiers zeigt aber eins: Die Klimaziele sind nicht mehr als Lippenbekenntnisse. Denn mit der Relativierung des Einspeisevorrangs sorgt er dafür, dass die alten, dreckigen Kohlemeiler das Netz weiter blockieren und die Energiewende dadurch bremsen. Die Betreiber der Dreckschleudern können so immer mehr Abregelungen von Ökostromanlagen provozieren, indem sie einfach die Netzkapazitäten besetzen und dann nach Regulierung schreien.

Die jetzt geplanten Änderungen zielen eindeutig darauf ab, den Ausbau wieder kräftig einzubremsen. Daraus macht Altmaier auch keinen Hehl. Denn er hat vorsorglich die Ausbauziele gleich mit angepasst. Statt 2,5 Gigawatt pro Jahr, die die Bundesregierung schon seit Jahren nicht erreicht, sollen es jetzt nur noch 1,9 Gigawatt sein.

Doch die Ausbauziele einzudampfen, ist nicht nur ein Offenbarungseid der Bundesregierung, die die Energiewende und den Klimaschutz völlig aus den Augen verloren hat. Es wird auch für die Branche eine Hürde. Denn wenn in Zukunft die Degression der Einspeisevergütung an 1,9 und nicht mehr an 2,5 Gigawatt gemessen werden, sinkt die Förderung schneller als bisher – kein gutes Zeichen für die Investoren, auf die Photovoltaik zu setzen, auch wenn der Eigenverbrauch schon lange das treibende Geschäaftsmodell ist.

Der Steuerzahler bekommt die Zeche

Auf diese Weise bleibt Altmaier Herr der Abwärtsspirale und einer der größten Bremser der Energiewende in Europa. Offensichtliche Halbwahrheiten, die Netze seien noch nicht so weit oder der Ausbau muss kosteneffizienter werden, zeugen entweder davon, dass das Wirtschaftsministerium in den letzten Jahren in einer völligen Blase vor sich hingewerkelt hat, abgeschnitten von jeglichen neuen Informationen. Es sie zeugen von einer Ignoranz gegenüber den Klimaherausforderungen der Zeit. Als dritte Option bleibt ein absichtliches Bremsen, um der alten Energiewirtschaft wieder auf die Sprünge zu helfen und dafür zu sorgen, dass Konzerne wie RWE eine Begründung frei Haus geliefert bekommen, um weiter nach Braunkohle zu schürfen, hoch subventioniert vom Steuerzahler, der in einigen Jahren die Zeche für Altmaiers Klientelpolitik übernehmen muss.

Die Zeit für Altmaier, einen solchen Rundumschlag zu starten, ist günstig. Die Wahlen in Bayern und Hessen sind vorbei und die Union hat jedes Mal einen derbe Watsche kassiert. Da kann die CDU sowieso nichts mehr verlieren und die SPD hat sich in den vergangenen Monaten meisterhaft in Passivität geübt. Sie hat dafür mehr als nur einen Denkzettel bekommen. Die nächsten Wahlen sind erst im Mai in Bremen – zusammen mit den Europawahlen – und im September in Sachsen und Brandenburg. Es ist vielleicht die letzte Rache des Peter Altmaier. Denn niemand weiß inzwischen mehr, wie lange sich die jetzige Regierung noch durch so wenig Sachverstand oder so viel Lobbyismus lavieren kann, wenn sie so weitermacht wie bisher.