Im ersten Quartal 2017 sind laut Fachagentur Windenergie an Land in Deutschland 388 Windenergieanlagen mit 1.100 Megawatt (MW) in Betrieb gegangen – laut Agentur eine Steigerung um 20 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2016. Das Quartal sei möglicherweise sogar das Stärkste in der gesamten deutschen Windkraft-Geschichte.
Man sieht bei diesen Zahlen praktisch vor sich, wie konservative Politiker wie Joachim Pfeiffer und Michael Fuchs von ihren Stühlen aufspringen und rufen: Seht ihr? Die Windkraft muss sofort in ihre Schranken gewiesen werden. Sonst droht Unheil!
Das ist natürlich Unfug, denn die Ausbauzahlen spiegeln nicht den aktuellen Stand der Windkraft-Entwicklung, sondern sie sind das Ergebnis der Planungen in der ersten Hälfte der 2010er Jahre. So viel Zeit nimmt die Umsetzung bis zur Realisierung eines Projektes heute in Anspruch. Das einzige, was sich verändert hat: In den vergangenen zwei Jahren ist das Tempo bei der Umsetzung noch einmal erhöht worden, um noch vor dem Systemwechsel von der Festvergütung zu Ausschreibungen zum Zuge zu kommen.
Denn diese Auktionen, das war von Anfang an klar, würden dazu führen, dass viele Planer trotz hoher Investitionen im Vorfeld leer ausgehen, weil sie keinen Zuschlag bekommen. Die Ergebnisse der ersten Ausschreibungsrunde sind seit drei Wochen bekannt – 65 von 70 Zuschlägen gingen an die kleineren regionalen Bürger-Investoren.
Wenn über die aktuelle Windkraft-Gesetzgebung und den weiteren Ausbau spekuliert wird, muss genau dieses Ergebnis näher betrachtet werden. Martin Maslaton von der Maslaton Rechtsanwaltsgesellschaft in Leipzig geht davon aus, dass weniger als die Hälfte der bezuschlagten Bürgerprojekte tatsächlich gebaut werden wird. „Zu den Preisen werden die nicht bauen können“, stellt er fest. Massive Verzögerungen im Zeitplan werde es ohnehin geben. „Man weiß nicht, wie viele bereits eine BImSchG-Genehmigung haben“, so Maslaton. Zudem muss man davon ausgehen, dass viele die Realisierungsfrist von 54 Monaten bis 2022 ausschöpfen werden, um positive Kostenentwicklungen etwa bei den Windenergieanlagen auszunutzen.
Daraus ergibt sich, dass die Zubauzahlen in der Windkraft in den nächsten Jahren einbrechen werden. Die Ausbauziele werden nicht erreicht, die ohnehin kaum mehr realisierbaren Klimaziele erstrecht nicht. Damit entwickelt sich Deutschland weiter vom Musterschüler zum Sitzenbleiber beim Klimaschutz in Europa.
Was kann man tun? Eine Nachbesserung bei Ausschreibungsverfahren erscheint dringend erforderlich. Maslaton empfiehlt, die von Brüssel angebotenen Möglichkeiten auszuschöpfen und statt der aktuellen personenbezogenen Sonderregeln für Bürgerenergiegenossenschaften lieber eine anlagenbezogene Regelung einzuführen, die kleinste Projekte mit ein oder zwei Anlagen aus dem Ausschreibungssystem ausklammert.