Greenpeace Energy hat zusammen mit den Städtischen Betrieben im bayerischen Haßfurt eine neue Power-to-Gas-Anlage in Betrieb genommen. Der modern PEM-Elektrolyseur trennt mit dem nicht zum Produktionszeitpunkt verbrauchten Strom aus den nahegelegenen Photovoltaik- und Windkraftanlagen Wasser in seine Bestandteile auf. Unter anderem wird hier auch der überschüssige Strom aus dem Bürgerwindpark Sailershäuser Wald verbraucht, der immerhin 30,9 Megawatt leistet. Insgesamt wird der Elektrolyseur mit einer Leistung von 1,25 Megawatt jedes Jahr etwa eine Million Kilowattstunden Wasserstoff produzieren und ins Gasnetz einspeisen.
Power-to-Gas bietet Versorgungssicherheit
Auf diese Weise kann der zu viel produzierte Ökostrom langfristig gespeichert werden. Der Vorteil: Die Windkraft- und Solaranlagen müssen nicht abgeregelt werden, wenn der Strom zum Zeitpunkt der Produktion keinen Abnehmer findet. Die Projektpartner verweisen auf Studien, die belegen, dass im Zuge der Energiewende die Stromüberschüsse aus solchen volatilen Erzeugungsanlagen stark anwachsen werden.
Mit dem Verbrauch dieses Stroms zur Herstellung von Wasserstoff ließe sich selbst bei einem vollständig erneuerbaren Energiesystem längere windstille und sonnenarme Phasen von bis zu drei Monaten überbrücken. Die notwendige Kapazität für diese Versorgungssicherheit bei solchen Dunkelflauten biete in Deutschland einzig die Power-to-Gas-Technologie. Denn sie kann die riesigen und vor allem schon vorhandenen Speicherkapazitäten des Gasnetzes inklusive seiner unterirdischen Lager nutzen. „Nur so lassen sich die deutschen Klimaziele erreichen und zugleich eine sichere Energieversorgung auch bei 100 Prozent Ökostrom realisieren“, ist sich Nils Müller, Vorstand bei Greenpeace Energy sicher. „Mit unserem Haßfurter Partner zeigen wir, wie sich dieses Prinzip erfolgreich in die Tat umsetzen lässt.“
Wasserstoff wird nicht methanisiert
Das gesamte Projekt hat aber auch noch einen Forschungsansatz. Denn die Partner verzichten mit Absicht auf die anschließende Methanisierung des Wasserstoffs, bevor das Gas ins Netz eingespeist wird. Die Speicherkapazitäten des Gasnetzes sind so groß, dass selbst der in Haßfurt erzeugte Wasserstoff die Mischungsverhältnisse kaum durcheinander bringt. Denn allgemein geht man davon aus, dass das Gas im Netz nur maximal zwei Volumenprozent Wasserstoff einhalten sollte. Die technischen Regeln erlauben maximal fünf Prozent Wasserstoff. Bei fortschreitender Energiewende und konsequenter Anwendung der Power-to-Gas-Technologie rechnet man mittelfristig mit einem Volumenanteil von acht Prozent Wasserstoff im Gasnetz. Steigt der Wasserstoffanteil im Gasnetz ist das Risiko, dass Leitungen und Speicher angegriffen werden, höher, als wenn nur Methan durch die Rohre strömt.
Außerdem könnten technische Anlagen, die das Gas aus dem Netz verbrennen, beeinträchtigt werden und der Kohlenmonoxidanteil im Abgas steigen. Schließlich verbraucht auch der Wasserstoff bei der Verbrennung Sauerstoff, der dann nicht mehr für die Verbrennung des Methans zur Verfügung steht. Bei unvollständige Methanverbrennung entsteht wiederum mehr Kohlenmonoxid, als wenn die Sauerstoffkonzentration höher ist. Für den Betrieb von kleineren Gasheizungen ist ein höherer Wasserstoffanteil kein Problem. Das haben der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und der Energieversorger Eon bereits im vergangenen Jahr mit einem Test in Schleswig-Holstein herausgefunden. So haben sich weder der Verschleiß der Geräte noch die Kohlenmoxidkonzentration in den Abgasen durch einen höheren Wasserstoffanteil erhöht.
Zehn Prozent Wasserstoff ausprobieren
Allerdings gibt es noch Bedenken hinsichtlich des Betriebs von Tanks in Erdgasautos und vor allem von Gasturbinen. Letzteres wollen Greenpeace Energy und die Stadtwerke Haßfurt jetzt testen. Dazu wird die Mälzerei Weyermann im 20 Kilometer entfernten Bamberg ausprobieren, wie das firmeneigene Blockheizkraftwerk auf ein Gasgemisch mit zehn Prozent Wasserstoffanteil reagiert.
Ein zweiter Ansatz der Haßfurter ist die Systemstabilität. Denn Die Stadtwerke selbst betreiben neben dem 30-Megawatt-Windpark noch eigene Solaranlage mit einer Gesamtleistung von 95 Megawatt. Dazu kommen noch die privaten Solaranlagen im Netzgebiet, die ebenfalls volatil ihren Strom einspeisen. Deshalb brauchen die Haßfurter Stadtwerke dringend einen Regler, der die Einspeisung und den Verbrauch von Strom stärker synchronisiert. Diese Regelleistung wird jetzt der Elektrolyseur übernehmen und auf diese Weise das Stromnetz der Stadtwerke Haßfurt stabil halten. (Sven Ullrich)