Mit 3,9 Megawatt (MW) schickt Nordex die Schwachwindanlage N131 ab sofort auf die Reise in die Vereinigten Staaten und in weite Teile Europas. Dabei ist das mit der Reise wohl eher wörtlich zu nehmen: Die in Deutschland zuletzt mit einer Erzeugungsleistung von 3,6 MW vertriebene Anlage mit einem Rotordurchmesser von 131 Meter „für sehr schwache Windgeschwindigkeiten“, wie es bei dem Hersteller heißt, soll vor allem in offeneren und siedlungsfreieren Landschaften als Deutschland den Ertrag noch einmal um bis zu vier Prozent im Jahr erhöhen. Damit könnte die Anlage bei einem besseren Standort in einer klassischen Schwachwindregion Süddeutschlands ohne Verschattung durch Nachbarland und ohne eintretende Stillstände aufgrund von Anlagenstörungen jährlich knapp zwölf Gigawattstunden erzeugen. Sie wäre trotz ihrer großen Leistung mit einer zeitlichen Vollauslastung von 35 Prozent äußerst effizient im Einsatz.
Die Kunden des Turbinenbauers erkaufen sich das Plus bei den Erträgen zumindest durch eine leicht erhöhte Lärmemission. Denn um das Leitungsplus zu erzielen, lässt der Hersteller die Anlage noch etwas schneller rotieren. Das erhöht den Schall vor allem der durch die Luft zischenden Rotorspitzen. Mit sogenannten Serrations, die Oberfläche verändernde Bauteile zur Schallminimierung an den Blatthinterkanten, verbleibt die Anlage bei Volllast noch bei einem Schallleistungswert von 106,2 Dezibel (dB(A)). Zum Vergleich: Die Varianten der N131 mit 3,6, 3,3 und 3,0 MW begrenzen mit ähnlichen Schallminimierungsprofilen ihre Lautstärke auf einen Schallleistungspegel von 104,9 Dezibel oder sogar unter 104 dB(A).
In Deutschland spielt die Schallminderung als wichtiges Verkaufsargument für Standorte nahe zu Siedlungen, wo die Anwohner häufig auf befürchtete Geräusch-Belästigungen mit Widerstand gegen Windparks reagieren. In anderen Märkten mit Windparks fernab jeglicher menschlicher Behausungen spielt dies kaum eine Rolle. Allerdings ließen sich die neuen 3,9-MW-Anlagentypen in lärmreduzierten Fahrstufen durch die elektronische Windparksteuerung auch intelligent und ohne allzu große Ertragseinbußen auch hierzulande gut einsetzen, verspricht Nordex.
Ende 2017 will Nordex bereits den Protoyp der neuen Turbine errichten. Ab Anfang 2018 könne Nordex die neu angepasste Turbine dann für die Errichtung erster Windparks aus der hochfahrenden Serienproduktion anliefern.
Aber auch für Standorte mit mittleren durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten lässt Nordex nun die N131 zu. Beziehungsweise: Der in vielen Schwachwindkraft-Regionen wie in Deutschland zu den führenden Turbinenlieferanten zählende Hersteller hat die 3,6-MW-Variante der N131 so eingestellt, dass sie an den günstigsten Windklasse-II-Standorten dieser Mittelwindregionen bis zu 15 Prozent Mehrertrag erzielt.
Den Vergleich zieht der Hersteller hier mit dem bisherigen Mittelwindtyp im Nordex-Portfolio N117: mit bereits 3,6 MW Leistung und 117 Meter Rotordurchmesser. Bei Standorten mit 7,5 Meter Windgeschwindigkeit im Jahresdurchschnitt etwa erzeuge die neu angepasste Windklasse-II-Anlage bei ansonsten besten Rahmenbedingungen schon 13,5 Prozent mehr als der erst im Herbst 2016 eingeführte N117-3,6 MW-Typ. Bei laut Nordex somit theoretisch möglichen knapp 14,4 Gigawattstunden würde die Anlage sogar eine Auslastung von 45,6 Prozent erreichen. Der erste Prototyp einer Anlage mit 131 Meter Rotordurchmesser und 3,6 MW Nennleistung rotiert seit Januar dieses Jahres bei Husum.
Zwei entscheidende Stellschrauben trugen laut Nordex zu den Anlagen-Modifikationen bei: So schütteten die Entwickler alle wichtigen Turbulenzwerte der typischen Standorte jeweils beider Windklassen rechnerisch in jeweils einen Topf. Daraus berechneten sie ein Profil zur Steuerung der Anlagen: Besondere Steuerungsvorgaben stellen die sogenannten Turbulenzkurven der Anlagen für ihre Windklasse-Standorte individuell ein. Soll heißen: Sie stellen die Flügel und die vom Umrichter vorgegebenen Drehmomentwerte im Generator so ein, dass die Turbinen am wenigsten von den ertragsmindernden Luftturbulenzen mitbekommen. Außerdem sorge eine neuartige individuelle Blattwinkelkontrolle dafür, dass die Anlage unproduktive Lasteinwirkungen aus dem Wind möglichst effektiv umgehe, erklärte Nordex.
44,6, 52,2, 35,6
Auch Deutschlandmarktführer Enercon aus Aurich hat an den Steuerungsschrauben der neuesten Anlagenplattform mit 4,2 MW Nennlast gedreht. Die erst im Februar 2017 als Prototyp in Betrieb genommene E-141 – 141 Meter Rotordurchmesser – war bisher im Enercon-Portfolio bei einer rechnerischen optimalen Auslastung von gut 35,5 Prozent als Schwachwindturbine vorgesehen. Nun modellierte Enercon die 4,2-MW-Anlage für mittlere Windstandorte und beste Windstandorte der Klassen I und II um. Als Anlage auf einem optimal strukturierten Standort mit durchschnittlicher Windströmung von 7,5 Metern pro Sekunde werde sie bis zu 16,4 Gigawattstunden erzeugen können, rechnet Enercon vor. Auf Winkdlasse I eingestellt und auf Windstandorten von durchschnittlich 8,5 Metern pro Sekunde könne die E141 sogar 19,2 Gigawattstunden erreichen. Die Auslastung der Anlage würde bei diesem Windaufkommen 44,6 Prozent in Windklasse II und 52 Prozent in Windklasse I erreichen.
Auch die zweite Turbine der Enercon-Anlagenplattform EP4 mit 4,2 MW Nennlast stuft das Auricher Unternehmen hoch: E126 mit einem Rotordurchmesser von 127 Metern wird künftig auch in Windklasse-1-Regionen Strom erzeugen.
Beide Turbinenhersteller, Nordex und Enercon, stellen für ihre neu justierten Anlagen neue Turmhöhen in Aussicht. So will Nordex beide neuen Modelle auf maximal 134 Meter Meter Nabenhöhe setzen. Enercon setzt hingegen auf die Nabenhöhen 99, 129, 135 und 159 Meter.
(Tilman Weber)